Beim Reisen kommt es zum kulturellen Austausch. Der Gast lernt vom Gastgeber und umgekehrt. Manchmal bilden sich sogar lebenslange Freundschaften.

Der wachsende Massentourismus verhindert ein solch persönliches Erlebnis. Manchmal sieht ein Gast nichts anderes als die Hotelanlage. So kommt es dazu, dass die Kultur der Gastgebers immer öfter durch den Massentourismus verdrängt wird.

Wenn das Reisen zum Geschäft wird

Du hast bestimmt schon die großen Hotels in bestimmten tropischen Ländern gesehen. Auf westliche Standards ausgerichtete Gebäude, die viel Platz einnehmen. Und die Hälfte des Jahres stehen sie leer. Abseits der Saison kommt hier kaum jemand her.

Vogelperspektive auf Hotelzone in Cancun

Die Stadt, in der das Hotel steht, hat oftmals eine mehr oder minder gut ausgebaute Infrastruktur. Und zwar eine wie du sie in den westlichen Industrieländern finden könntest. Ein dicht gebautes Netz aus Straßen, Wasserleitungen und Stromleitungen.  

Vermutlich wirst du dir nichts Schlechtes dabei denken. Eine funktionierende Infrastruktur ist doch gut, oder?

Nicht, wenn sie allein den Touristen zugute kommt, die einmal im Jahr in die Stadt strömen. Während die Touristen wieder in ihre meist westliche Heimat reisen, müssen die Einheimischen diese instandhalten.

Oftmals steigen die Mieten in besonders beliebten Metropolen und Urlaubsorten soweit an, dass sich die Einheimischen keine Wohnungen mehr leisten können. Die Gentrifizierung macht sich auch an tropischen Stränden bemerkbar.

Allerdings brauchen Einheimische den Tourismus, welcher kurzfristig gesehen nicht selten die einzige Einnahmequelle darstellt.

Jährlich macht die Tourismusbranche Milliarden-Umsätze mit exotischen Reisezielen. Doch selten kommt es den Gastgebern zugute. Denn das Geld landet meist in den Taschen weniger reicher Investoren, die in der Reise- und Tourismusbranche tätig sind.

Um kulturellen Austausch, Impact Travel und gegenseitiges Verständnis geht es dabei in den seltensten Fällen. Solange Touristen die Vorzüge aus ihrer Heimat auch im weit entfernten Urlaubsort genießen können, geben sie viel Geld aus. Um die Konsequenzen kann sich auch jemand anderes kümmern.

Die Flucht aus dem Alltag

Du kennst das vielleicht: Diese durchorganisierten Reisen, die oft in Supermärkten angeboten werden. Meist direkt nach der Kasse, wenn du gerade den stressigen Alltag mit einem gehetzten Einkauf garniert hast. Denkst du dann nicht auch wehmütig, dass du jetzt auch gerne an einem Strand wärst? Am besten genau wie auf dem Plakat, was hinter dem Kassenbereich hängt. Am besten ohne irgendwelche Sorgen?

Frau posiert auf Palme am Strand

Mit dieser Einstellung bist du nicht alleine. Vielen Menschen in unserer Gesellschaft geht es ähnlich. Sie wünschen sich einfach eine Auszeit. Anstatt sich um irgendetwas sorgen zu müssen, wollen sie einfach abschalten. Und da liegt der springende Punkt: Man will sich nicht kümmern, sondern andere sollen das tun. Solange wir dann unseren Urlaub am Strand bekommen, sind wir zufrieden. 

Wir sind oftmals sogar regelrecht blind für die Folgen. Anstatt uns zu fragen, ob dieses überdimensionierte Hotel in dieser Natur notwendig sei, freuen wir uns über den Service. Dann essen wir noch gemütlich unsere Pizza und trinken unser deutsches Pils. Abends besuchen wir noch die Tanzaufführung der lokalen Anwohner. Es ist ein ritueller Tanz. Er wird eigentlich nur bei besonderen Anlässen aufgeführt. Hier tanzen sie aber jede Woche.

Kultureller Imperialismus

Solche Situationen sind beim Massentourismus häufig der Fall. Wir denken nicht, wir konsumieren nur. Viele unterschätzen den Schaden, den der Massentourismus anrichtet.

Um Touristen anzulocken, wird das Reiseziel an deren Wünsche angepasst. Produkte und Handwerke werden verändert, um den überwiegend westlichen Touristen anzusprechen. Jedoch verlieren sie so an Authentizität.

Auf diese Weise gleicht sich die lokale Bevölkerung an den Tourismus an. Stück für Stück geht die ursprüngliche Kultur verloren. Der rituelle Tanz für besondere Feste? Der ist jetzt eine wöchentliche Touristenattraktion.

Einst sakrale Gegenstände werden reduziert auf Souvenirs zum Mitnehmen. Und wer jetzt behauptet, dass das dafür ausgegebene Geld zur Entwicklung des Landes beiträgt, schlägt einen weiteren Nagel ein.

Der zur Schau gestellte Wohlstand der Touristen hinterlässt ebenfalls Spuren. Vor allem auf die Einheimischen. Diese wünschen sich auch einen Lebensstandard, wie sie ihn bei den Reisenden sehen. Dazu passen sie sich an die Kultur der Touristen an. Sie hoffen dadurch dem Reichtum näher zu kommen. Manchen gelingt das. Vielen jedoch nicht.

Was bleibt sind vereinzelte Gewinner und viele verbitterte Verlierer. Erstere verdienen sehr gut am Tourismus. Letztere verlieren im schlimmsten Fall ihre Existenzgrundlage.

Wohlhabende Touristen werden für ihren hohen Lebensstandard von den Einheimischen gleichermaßen bewundert und beneidet. Manchmal befinden sich Länder sogar in Konkurrenzkampf miteinander, da jeder versucht, Touristen anzuziehen.

Was der Tourist nicht sieht

Um die Touristen in das Land zu locken werden teilweise ganze Areale zugebaut, um Hotels hinzustellen. Die Natur wird dabei zurückgedrängt. Wichtige Ressourcen werden strapaziert. Zum Beispiel führt der Massentourismus in Sansibar dazu, dass das Wasser knapp wird. Denn die Touristen kommen immer zur Trockenzeit her.

Dann wäre da noch der Müll. Aufgrund des Versprechens von einem sorglosen Urlaub, gehen wir mit der Umwelt auch genauso um. Am Strand lassen viele Touristen ihre Zigarettenstummel und Eisstäbchen im Sand stecken.

Zigaretten und Kronkorken als Müll am Strand

Auch Prostitution floriert durch den Massentourismus. Oft werden die Menschen dazu gezwungen. Menschenhändler locken überwiegend Frauen mit falschen Versprechungen aus den ländlichen Gegenden in Touristenhochburgen. Sextourismus ist in vielen Regionen ein großes Problem.

Wo der Tourismus nachhaltig ist

Um den Tourismus nachhaltig zu gestalten müssen die Einheimischen stärker miteinbezogen werden. Aus der indigenen Bevölkerung werden Fremdenführer und Gastgeber. So werden alle Beteiligten für die gegenseitige Verständigung sensibilisiert.

Damit steigt auch der gegenseitige Respekt. Du wärst erstaunt, wie hart die Landarbeit in diesen Ländern sein kann, oder die Viehzucht. In Deutschland würden wir das so nicht mehr machen wollen. Auch für die Erweiterung unseres kulinarischen Erfahrungsschatzes ist das vorteilhaft.

Wie du sicherlich nachvollziehen kannst, ist den Einheimischen der Erhalt ihrer Umwelt wichtig. Sie sind dort geboren und aufgewachsen. Der Tourismus kann sich auch positiv auf die Natur auswirken. Besonders wenn dieser von ortskundigen Einheimischen unterstützt wird.

Blick aus Safarifahrzeug mit Ranger und Elefantenherde

Tourismus schafft hier Arbeitsplätze, sodass weniger Menschen auf Wilderei und Raubbau zurückgreifen müssen.

Da der Natur- und Tierschutz nun auch wirtschaftlich interessant ist, werden beispielsweise mehr Parkranger eingestellt. Diese sorgen dann für den Schutz von Flora und Fauna. Mehr Arbeitsplätze, mehr Naturschutz und wir können das Ergebnis bestaunen. Das nennt sich Win-Win.

Was du tun kannst

Der Tourismus kann sowohl gut als auch schlecht für eine Region sein. Entscheidend sind dabei die Menschen, die in diese Länder reisen. Genauer gesagt: Du.

Suche nicht nach dem Urlaub, bei dem du den Kopf abschaltest. Such dir stattdessen Möglichkeiten, die dortige Kultur zu erleben. Meide nach Möglichkeit Tourismuszentren. Jene mit den großen Hotels und den Angeboten, die du auch hier zu Hause hast. Entscheide dich für kleine inhabergeführte Unterkünfte, die oft in weniger erschlossenen Regionen zu finden sind.

Vielleicht befürchtest du, dass dich dort niemand verstehen kann. Das ist oft ein Trugschluss. Viele einheimische Fremdenführer sprechen Englisch oder Französisch. Es gibt sogar Menschen, die sich in dieses Land verlieben und bleiben. Wahrscheinlich würde es dich überraschen, wie viele Deutsch sprechen. 

Aber es muss auch nicht immer in die Ferne gehen. Auch Deutschland bietet viele Sehenswürdigkeiten: Hier kannst du diverse Naturschönheiten in direkter Nähe erreichen.

Wasserfall im Schwarzwald

Die Flucht aus unserem Alltag muss nicht bedeuten direkt in ein anderes Land zu reisen. Der Harz und der Schwarzwald sind Schönheiten. Oft kommen ausländische Touristen zu uns, um das zu sehen. Wie du siehst ist alles eine Frage der Perspektive.

Um den schädlichen Massentourismus Einhalt zu gebieten muss ihm die Grundlage entzogen werden: Sorglose Touristen, die nur nach Zerstreuung suchen. Das klingt vielleicht etwas verkürzt. Doch Fakt ist: Je mehr Menschen sich für die Kultur der Länder interessieren, desto weniger kollidieren sie mit ihr.

Es fängt immer bei der Suche des Reiseziels an. Und es endet damit, wie du dann wieder nach Hause zurückkehrst.