Warum die Tourismusbranche nicht mehr auf nachhaltige Reiseangebote verzichten kann

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Freilandeier, Bio-Gemüse und Ökostrom sind für viele Deutsche heute bereits eine Selbstverständlichkeit geworden. Es hat einige Jahre gedauert, bis solche Produkte im normalen Supermarkt angeboten wurden, aber mittlerweile gibt es sogar in Discountern Produkte aus Bio-Anbau.

Sogar die mächtige Autoindustrie hat sich mittlerweile der steigenden Nachfrage nach umweltfreundlichen Alternativen zu Benzinmotoren anpassen müssen. Hybrid- und Elektroautos sind seit Jahren auf dem Vormarsch.

Wer hätte im Jahr 2000 gedacht, dass die großen deutschen Autokonzerne, wie Audi und BMW Hybrid- und Elektroautos auf den Markt bringen? 

Parklplatz mit Ladestation für Elektro-Autos

In vielen Bereichen unseres Lebens spielt Nachhaltigkeit längst eine große Rolle und die entsprechenden Wirtschaftsbereiche haben darauf reagiert und eine Trendwende eingeleitet.

Besonders in der Landwirtschaft, im Einzelhandel und in der Autoindustrie hat der Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit begonnen, obwohl er dort anfangs auch sehr misstrauisch betrachtet wurde.

Zu Beginn werden die meisten Veränderungen gefürchtet und pessimistisch betrachtet. Doch die genannten Beispiele zeigen, dass der Markt durchaus eine Nachfrage nach ökologisch verträglichen Produkten bietet. Unternehmen, die rechtzeitig reagieren, können sogar einen Wettbewerbsvorteil erzielen.

Doch in einer Wirtschaftsbranche, nämlich dem Tourismus, geht der Trend in den letzten Jahren eher in eine andere Richtung. Es wird mehr denn je geflogen und umweltbelastende Reiseformen, wie z.B. Kreuzfahrten und Pauschalreisen werden unverändert stark nachgefragt (abgesehen von den Auswirkungen der Corona-Pandemie).

Wir zeigen auf, dass die Reiseindustrie die Trendwende verschlafen hat und warum die großen Tourismusunternehmen von nachhaltigen Angeboten profitieren können.

Viele Reiseveranstalter, Hotelketten und Fluggesellschaften reden schon seit einigen Jahren über Nachhaltigkeit, aber nun ist es an der Zeit, Taten folgen zu lassen.

Aus der Nische in den Mainstream

Wir sind bereit für Freilandeier mehr zu bezahlen, als für Käfigeier. Das ist die Grundlage für den enormen Zuwachs des Marktanteils von Freilandeiern in den letzten Jahren. Die anfänglich geringe Nachfrage hat es geschafft, dass es in allen Supermarkt plötzlich zwei Sorten Eier gab, was bis dahin nicht der Fall war.

Ab dem Moment, wo es im normalen Supermarkt Freilandeier gab, griffen immer mehr Konsument*innen zu und kauften die etwas teurere, aber tierfreundlichere Variante. Die Nachfrage stieg nur weiter, weil ein Angebot geschaffen wurde. Die Freilandeier rückten so aus der Nische in den Mainstream. 

Dieses Beispiel lässt sich genauso auf viele andere nachhaltige Produktalternativen wie Ökostrom, Kleidung aus Bio-Baumwolle und Hybridautos übertragen.

Vor wenigen Jahren gab es z.B. Fairtrade-Produkte nur im Eine-Welt-Laden (damals hießen die Läden noch Dritte-Welt-Laden). Heute kann Fairtrade Schokolade sogar im Discounter gekauft werden.

Viele Verbraucher*innen sind bereit für faire Produkte etwas mehr zu bezahlen und mehr Angebote führt zu mehr Nachfrage. Heute sind diese Produkte nicht mehr Teile einer Nische sondern geradezu alltäglich geworden. 

Scheinbar hört die Bereitschaft, für Nachhaltigkeit etwas mehr zu zahlen auf, wenn es um den nächsten Urlaub geht. Liegt das an der fehlenden Nachfrage oder am fehlenden Angebot? Warum ist es in diesem Bereich besonders schwierig alte Muster aufzubrechen?

Wo sind die Visionär*innen und Vorreiter*innen?

Seit jeher gibt es nachhaltige Reiseangebote von mittelständischen Reiseunternehmen, vergleichbar mit den Reformhäusern, die schon Bio-Produkte angeboten haben, als es noch nicht cool war. Die Ökoreisen stecken aber noch in ihrer Nische fest.

Der Übertritt von nachhaltigen Reisen in den Mainstream ist nur durch die großen Reiseveranstalter (TUI, FTI, etc.), Hotelketten (Hilton, Marriott, etc.) und Fluggesellschaften (Lufthansa, Condor, etc.) möglich.

Es ist an der Zeit, dass auch die großen Reiseveranstalter nachhaltige Angebote in ihre Programme aufnehmen, damit Verbraucher*innen mehr Auswahl haben. Erfahrungsgemäß werden nachhaltige Produkte dann viel häufiger gekauft, wenn sie genau neben der Massenware liegen.

Irgendeine Person mit Führungsposition in einer Supermarktkette war damals mutig genug die Freilandeier mit ins Sortiment aufzunehmen. Heute gibt es einige Supermärkte, die nur noch Freilandeier anbieten. Dieser Mut scheint der obersten Etage der Tourismusbranche zu fehlen.

Hand mit Bio-Eiern vor freilaufenden Hühnern

Es braucht dringend Visionär*innen und Vorreiter*innen in den Führungsetagen, die nicht nur auf kurzfristige Gewinnoptimierung schauen. Das ist insbesondere bei großen Aktienunternehmen sicher leichter gesagt als getan. 

Die deutsche Autoindustrie, die global gesehen zwar in Bezug auf Nachhaltigkeit hinterherhinkt, hat aber trotzdem die Kehrtwende bereits eingeläutet. Wenn die Deutschen sogar bei ihrem liebsten Kind, dem Auto, nachhaltige Varianten akzeptieren, werden sie dies beim Reisen auch tun.

Veränderungen sind also möglich und das Imageproblem der deutschen Reiseindustrie wird jedes Jahr größer. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass es möglich ist, auf das Fliegen zu verzichten und häufiger Urlaub innerhalb Europas zu machen.

Hier liegt eine gute Chance für die Tourismusbranche, nicht einfach so weiter zu machen, wie vor der Krise. Sie kann den Neustart des Ferntourismus nutzen, um neue, nachhaltigere Wege einzuschlagen.

Erbitterter Preiskampf verhindert nachhaltige Entwicklung

Einer der wichtigsten Gründe, warum deutsche Touristen in weiter entferntere Länder fliegen ist, dass der Urlaub dort im Verhältnis preisgünstiger ist. Beliebte Urlaubsländer in Europa, wie Spanien, Italien und Frankreich sind viel teurer als ein vergleichbarer Urlaub in der Türkei, Tunesien oder Ägypten.

Eigentlich müsste der längere Flug die Reisen teurer machen. Einige Länder (z.B. Ägypten) subventionieren sogar Charterflüge und Kerosinpreise, um im Preiskampf zu Mitbewerbern mithalten zu können.

Diese Preisdiskrepanz könnte durch Umweltsteuern und im Reisepreis inkludierte C02-Kompensationen etwas fairer ausgeglichen werden. Die Zielgebiete sollten ebenfalls weniger auf Masse setzen und stattdessen versuchen weniger Touristen anzulocken, die gleichzeitig mehr Geld im Land lassen.

Dies kann durch gezieltes Marketing erreicht werden. Nachhaltigkeits-Schulungen für Entscheidungsträger in Zielgebieten können hier zu einem Umdenken führen.

Warum sind CO2-Kompensationen freiwillig?

Viele Fluggesellschaften und Reiseveranstalter bieten bei der Buchung die Möglichkeit einer freiwilligen CO2-Kompensation an. Dabei soll der Schaden, den der Flug anrichtet, an anderer Stelle kompensiert, also gutgemacht werden. Meistens sind es Projekte, die Bäume pflanzen oder erneuerbare Energien fördern. 

Kleiner Baumsprössling und rote Erde

Alle Fluggesellschaften und Reiseveranstalter sollten sich darauf einigen, diese CO2-Kompensation bereits in jedem Reisepreis zu inkludieren. Muss erst die Politik gesetzlich die CO2-Kompensation vorschreiben?

Umdenken der Kund*innen entscheidend

Eine Änderung im Verhalten bedarf meistens eines Auslösers. Das Gewohnheitstier Mensch neigt sonst dazu, immer wieder die gleiche Entscheidung zu treffen, wenn sie einmal ein positives Ergebnis hatte. Dies trifft besonders beim Kaufverhalten zu. 

So ein Auslöser kann zum Einen das Auftauchen eines neues Angebots sein, das verspricht besser zu sein. Ein anderer Auslöser kann eine neue Information sein, die das bisher gekaufte Produkt schlechter erscheinen lässt. Wenn beides zusammenkommt, ist eine Veränderung im Kaufverhalten begünstigt. 

Beim Beispiel der Eier waren diese Faktoren der bessere Geschmack von Freilandeiern und die gleichzeitige Verbreitung von schockierenden Bildern von Käfig-Legehennen.

Auf den Tourismus übertragen ist es also klar, dass auch hier auf der einen Seite die Vorteile von nachhaltigen Reisen stärker in den Mittelpunkt gestellt werden sollten. Gleichzeitig muss die Bevölkerung weiter über den Schaden aufgeklärt werden, den herkömmliche Reisen anrichten können.

Vorteile von nachhaltigen Reisen

Es muss kein Verlust oder Verzicht, sein wenn man nicht in den All Inclusive Urlaub fliegt. Dahingegen sollten Entschleunigung, kurze Anreisen und eine längere Urlaubsdauer als klare Vorteile erkannt werden.

Der Gewinn, den besondere Naturerlebnisse bringen können, muss mehr in den Vordergrund des Tourismusmarketing rücken. Es können dort Begehrlichkeiten nach Naturerlebnissen geschaffen werden, anstatt den Strandtourismus immer wieder als das Nonplusultra darzustellen.

Nachteile des Massentourismus

In vielen Reiseregionen ist die Umweltbelastung durch den Massentourismus schon nicht mehr haltbar. Insbesondere die Natur in beliebten Wintersportregionen in den Alpen und Strände am Mittelmeer wurden in den letzten Jahrzehnten geschädigt.

Insbesondere der Müll, den viele Menschen hinterlassen, ist ein großes ökologisches Problem. 

Korallenfische schwimmen um Plastikmüll

Auch soziale Schäden, die der Massentourismus mit sich bringt, können nicht von der Hand gewiesen werden. Eine geringe Bezahlung und schlechte Arbeitsbedingungen in Schwellen- und Entwicklungsländern oder der Verlust der Dorfstruktur an Tourismusorten sind nur zwei Beispiele.

Die Marktmacht der Kundschaft

Was kann ich tun? Also nicht, was können die Reiseveranstalter tun? Oder was können die anderen Tourist*innen tun? Das gute am Massentourismus ist, dass schon kleine Veränderungen große Auswirkungen haben können, eben aufgrund der Masse.

Verbrauchende haben heute mehr Marktmacht als je zuvor. Das Internet gibt ihnen die Möglichkeit sich über Preise und Leistungen genau zu informieren. Diese Macht kann die Reiseanbieter dazu bringen, Veränderungen vorzunehmen.

Die Entwicklung muss zuerst gestoppt werden, bevor sie umgekehrt werden kann. Die Corona-Pandemie hat den Tourismus zwangsgestoppt, der Neustart ist die Chance zur Trendwende.

Zwei Mal im Jahr für jeweils eine Woche in den Pauschalurlaub zu fliegen und dazwischen vielleicht noch Wochenendtrips mit dem Billigflieger zu machen, ist nicht nachhaltig.

Wenn jede*r auf einen Flug im Jahr verzichtet und lieber länger an einem Zielort bleibt, ist schon viel erreicht.

Generell sollten wir beherzigen, dass beim Reisen weniger mehr ist. Lieber ein intensives, hochwertiges Urlaubserlebnis, anstatt mehrere oberflächliche. Qualität statt Quantität muss in unser Denken auch in diesem Bereich Einzug halten.

Nachhaltigkeit im Incoming-Tourismus

Deutschland ist nicht nur einer der größten Reisemärkte, sondern auch ein wichtiges Zielland für Touristen aus aller Welt. Zur Tourismusbranche gehören auch die Kommunen, Länder etc, in den Zielländern.

Die Tourismusorganisationen in Deutschland und anderen Ländern können auch dafür sorgen, dass mehr nachhaltiger Tourismus in ihr Land kommt. Die Zielgebiete müssen deshalb mehr nachhaltige Angebote schaffen.

Die Natur als Kapital

Einzigartige Naturerlebnisse sind häufig der Grund für den Besuch von Tourist*innen. Nur ihr Erhalt gewährleistet, dass die Interessierten weiterhin kommen. Deshalb ist der Naturschutz an vielen Orten nicht rein idealistisch, sondern existenziell.

Wenn Tauchboote zum Beispiel die Korallenriffe dauerhaft mit ihren Ankern beschädigen, werden die zerstörten Tauchgebiete langfristig keine Tauchtourist*innen mehr anlocken. Mit jedem Ankerwurf zerstört die Person ihre eigene Lebensgrundlage. Der Umweltgedanke muss in das  Bewusstsein der Einheimischen vordringen.

Inkorrekte Müllentsorgung und andere Beschädigung der Natur sollte an Touristenorten z.B. mit Bußgeldern belegt werden. Dies ist heute meistens nicht der Fall. Viele Menschen benehmen sich im Urlaub umweltschädlicher als zu Hause, weil dort weniger strenge Gesetze herrschen.

Schneekanonen in den Alpen

Der Wintertourismus in den Alpen ist direkt vom Klimawandel bedroht. Durch die Erderwärmung fällt bereits jetzt viel weniger Schnee, der für den Wintersport dringend benötigt wird. Schon heute sind vielerorts Schneekanonen im Einsatz, die einen hohen Stromverbrauch haben, um Wintersport zu ermöglichen.

Viele Orte kommen dort an ihre Kapazitätsgrenzen und der Schaden an der Natur ist immens. Wenn diese Wintersportorte so weiter machen, sägen sie buchstäblich den Ast ab, auf dem sie sitzen. 

Die gute alte Kurtaxe

Die Idee bzw. Notwendigkeit, Besucher für den Erhalt der Natur und Infrastruktur am Urlaubsort zahlen zu lassen, ist wirklich nicht neu. Baden Baden führte bereits im 16. Jahrhundert eine Kurtaxe ein. Dieses Kurtaxe-System verbreitete sich in ganz Deutschland und hat sich bis heute bewährt.

Die Kurtaxe ist eine sehr gute Möglichkeit für Kommunen, die z.B. unter dem Müll der Touristen leiden, die Mehrausgaben für die Entsorgung zu kompensieren. 

Um wettbewerbsfähig mit anderen Zielgebieten zu bleiben, scheuen sich Urlaubsorte in ärmeren Ländern vor solchen Zwangs-Umweltabgaben.

Hier könnten die Reiseveranstalter aktiv werden und für alle Zielgebiete einheitlich eine solche Umweltabgabe auf den Reisepreis aufschlagen. Diese können sie dann an Umweltprojekte oder Kommunen im jeweiligen Zielgebiet auszahlen.

Bildung als nachhaltige Investition

Die Aus-und Weiterbildung der Bevölkerung an Urlaubsorten der Schwellen- und Entwicklungsländer ist ein wichtiger Lösungsansatz.

Dort ist nachhaltiger Tourismus eine große Chance für positive Entwicklungen. Wenn die Menschen dort ein Umweltbewusstsein entwickeln und ihre Natur mit Stolz schützen wollen, werden sich auch die Tourist*innen anpassen müssen.

Menschen sammeln Müll am Strand

Die Ressourcennutzung sollte immer unter ökologischen, ökonomischen und sozialen Gesichtspunkten erfolgen.

Die Wichtigkeit des Erhalts der Artenvielfalt und der Kultur sollte ebenfalls an die Bewohner der Zielgebiete vermittelt werden. Hier könnten die Megakonzerne der deutschen Tourismusbranche viel Positives bewirken, wenn sie Schulungen und Weiterbildung fördern.

Fazit

Das Umdenken in der Bevölkerung ist die Grundlage für Veränderungen bei den Reiseangeboten. Die Nachfrage bestimmt langfristig das Angebot. Wenn die Nachfrage nach grünen Reisen steigt, wird es auch mehr Angebote geben.

Dann verhält es sich so, wie bei anderen Produkten, wie z.B. Bio-Obst, besagten Freilandeiern oder Bio-Fleisch. Insbesondere in der Tourismusbranche sind nachhaltige Angebote überfällig. Die Probleme wurden zu lange verdrängt und die Corona-Pandemie bietet eine Chance für die Trendwende.

Die Reiseindustrie ist in der Pflicht, mehr nachhaltige Angebote auf allen Ebenen zu schaffen. Dazu gehören Flüge, Hotels und Aktivitäten vor Ort. Bisher wurden oft nur gesetzliche Vorgaben befolgt. Wann wird die Reisebranche in Sachen Nachhaltigkeit von sich aus aktiv?

Hoffentlich wird es in naher Zukunft mehr nachhaltige Alternativen im Angebot der großen Reiseveranstalter geben. Ob diese Angebote auch wirklich das Versprechen der Nachhaltigkeit halten, sollte jeder Urlauber selbst kritisch hinterfragen und überprüfen.

Die Gefahr, dass Nachhaltigkeit nur als Marketingtool eingesetzt wird und am Ende nur halbherzige, ressourceneffiziente Massnahmen dahinter stecken, ist durchaus gegeben.

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